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Schnurloser Haartrockner
André D. Thess
03. März 2022
Die Behauptung: In einem Bericht aus dem Jahr 2004 wird prognostiziert: „Noch gibt es Haartrockner nur mit Kabel. Doch in einigen Jahren könnten schnurlose Modelle mit Brennstoffzellen als Energiequelle auf den Markt kommen.“ Im Text wird ein Mitarbeiter der damaligen Wella-Tochter Ondal Industrietechnik mit den Worten zitiert: „Ein schnurloser Fön stehe auf der technischen Wunschliste vieler Friseure an erster Stelle.“
Meine Analyse: Der schnurlose Haartrockner ist ein anschauliches Beispiel für die Herausforderungen der Energiespeicherforschung, die in ähnlicher Form Schlüssel für die Energiewende sind. Anders als das deutsche Transformationsprojekt ist der Fön allerdings ganz und gar unpolitisch und somit für Aufklärungszwecke gut geeignet.
Warum gibt es keine schnurlosen Haartrockner?
Während meiner Zeit als Professor für Technische Thermodynamik an der TU Ilmenau habe ich mit einem Studententeam im Auftrag eines Unternehmens mehrere Konzepte schnurloser Haartrockner analysiert und einen Prototyp aufgebaut. Die vom Auftraggeber spezifizierten Zielgrößen unterliegen der Geheimhaltung, doch die Größenordnung lässt sich leicht erahnen. Für einen professionellen Friseurbetrieb muss ein Haartrockner für etwa 20 Minuten eine Heizleistung von mindestens einem Kilowatt erzeugen und darf nicht schwerer als ein Kilogramm sein. Die Leistung des Lüfters ist deutlich kleiner und kann für die vorliegenden Betrachtungen vernachlässigt werden. Wollte man einen schnurlosen Fön auf der Basis eines Batteriespeichers bauen, so müsste die Batterie eine Speicherkapazität von knapp 0,3 kWh besitzen – bei einem Gewicht von weniger als 1 kg. Dazu würde man Batteriesysteme mit einer Energiespeicherdichte deutlich über 300 Wh/kg benötigen. Das ist deutlich mehr als der Stand der Technik, der bei etwas über 100 Wh/kg liegt. Nach dieser einfachen Rechnung verwarf das Studententeam die Idee des batteriebetriebenen Schnurlosföns.
In einem zweiten Schritt analysierte das Team einen Schnurlosfön auf der Basis eines Wärmespeichers. Ausgangspunkt war die Frage: Wenn ein Fön zu 90% Wärme und nur zu 10% Strom benötigt, warum sollen wir den Strom in teuren und schweren Batterien speichern? Das Team erarbeitete Konzepte mit unterschiedlichen Wärmespeichermedien, unter anderem Salzschmelzen und Zeolith. Es entstanden sogar Patente. Der aufgebaute Prototyp (siehe Bild) funktionierte tatsächlich, allerding wog er mehr als ein Kilogramm. Am Ende entschied sich der Auftraggeber gegen eine Weiterentwicklung, weil die technischen Risiken und die geschätzten Entwicklungskosten im siebenstelligen Bereich zu hoch waren. Damit endet die Geschichte vom spannenden aber erfolglosen Schnurlosfönprojekt.
Während der Schnurlosfön fürs Erste den unerbittlichen Gesetzten der Physik und der Marktwirtschaft zum Opfer fiel, werden Energiewendetechnologien wie etwa Elektroautos mit Subventionen gepäppelt.
Mein Fazit: Im Vergleich zu den technischen und finanziellen Herausforderungen der Speicherforschung für die Energiewende ist die Entwicklung eines schnurlosen Haartrockners vergleichsweise unkompliziert. Wenn Energiespeicherforscher es eines Tages schaffen sollten, den Schnurlosfön zu bauen, fallen preiswerte Elektroautos und Elektroflugzeuge als Nebenprodukte ab.
Der Autor: André D. Thess ist Professor für Energiespeicherung an der Universität Stuttgart und Autor des Buches „Sieben Energiewendemärchen?“ Kontakt: energiewendemaerchen@t-online.de