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Klimaneutrales Ta'u
André D. Thess
05. Mai 2022
Die Behauptung: Die zu Amerikanisch-Samoa gehörige Pazifikinsel Ta’u wird seit dem Jahr 2016 durch ein Solarkraftwerk und einen Batteriespeicher mit elektrischer Energie versorgt. Das von der Tesla-Tochter SolarCity realisierte Projekt hat acht Millionen Dollar (reichlich 10.000 Dollar pro Inselbewohner) gekostet. Die Zeitschrift Business-Insider schreibt in ihrer Ausgabe vom 22. November 2016: „Der neue Tesla versorgt eine ganze Insel mit Solarenergie.“ Das Online-Magazin Climate Council behauptet auf seinen Webseiten: „Sie [die Insel, Anm. d. Verf.] ist jetzt solare Selbstversorgerin.“
Meine Analyse: Ta’u hat etwa 700 Einwohner und erzeugte bis 2016 seinen Strom ausschließlich mit Dieselgeneratoren. Hierfür waren ungefähr 400 Tonnen Diesel pro Jahr nötig. Für die Analyse der Frage, ob die Insel tatsächlich Energieselbstversorgerin ist, schauen wir uns die drei Sektoren Wärme, Strom und Mobilität an.
Wärme: Die Durchschnittstemperatur auf Amerikanisch-Samoa liegt gemäß Wikipedia bei 27°C und weist nur geringe saisonale Schwankungen auf. Damit dürfte die Notwendigkeit von Heizungen entfallen. Falls auf der Insel dennoch Heiz- oder Kühlbedarf besteht, wird dieser vermutlich über elektrisch betriebene Klimaanlagen gedeckt. Damit lässt sich das Problem der Klimatisierung auf die Frage nach der elektrischen Energieversorgung zurückführen.
Strom: Eine Online-Recherche in Presseartikeln sowie eine Datenbank-Recherche wissenschaftlicher Publikationen mit den Stichworten „Ta’u island“, „renewable energy“ und „storage“ lieferte keine quantitative Aussage darüber, zu wieviel Prozent die Stromversorgung der Insel tatsächlich über Photovoltaik mit Batteriespeicher abgedeckt wird und ob die Dieselgeneratoren noch in Betrieb sind. Analysen von vergleichbaren Systemen wie etwa auf der Kanareninsel El Hierro (siehe hier, Kapitel 6) legen jedoch die Verdacht nahe, dass der tatsächliche elektrische Autarkiegrad nicht 100 % beträgt. Anfragen bei SolarCity sowie bei der American Samoa Power Authority aus den Jahren 2020 und 2022 blieben unbeantwortet. Seitens der Journalisten liegen keine Investigativrecherchen vor. Die zitierten Artikel atmen den Geist von Gefälligkeitsjournalismus.
Mobilität: Es bedarf keiner tiefschürfenden Recherchefähigkeiten, um in Erfahrung zu bringen, dass es auf der 44 Quadratkilometer großen Insel Straßen sowie den Fitiuta-Airport (IATA-Kürzel FTI) gibt. Daraus lässt sich ableiten, dass die Bewohner für die Fortbewegung nicht Pferdekutschen und Ruderbote, sondern mit hoher Wahrscheinlichkeit Autos, Schiffe und Flugzeuge nutzen – letztere für Reisen auf die 100 Kilometer entfernte Insel Tutuila. Dort befindet sich die Hauptstadt von Amerikanisch-Samoa, Pago Pago. Eine Onlinesuche in der Inselzeitschrift „Samoa News“ förderte zutage, dass die Benzinpreise im Mai 2018 bei 3,55 USD pro Gallone lagen. Somit wird die Mobilität auf Ta’u durch fossile Brennstoffe und nicht durch solarbetriebene Elektroautos gewähreistet.
Schon aus diesen bruchstückhaften Informationen folgt, dass es sich bei der Behauptung, die Insel sei eine solare Selbstversorgerin, um eine Falschmeldung handelt.
Mein Fazit: Bei der solaren Stromversorgung von Ta’u handelt es sich allem Anschein nach um ein technisch seriöses Projekt. Kritikwürdig ist hingegen die unreflektierte und übertriebene Berichterstattung der Medien über die vermeintliche Selbstversorgung.
Der Autor: André D. Thess ist Professor für Energiespeicherung an der Universität Stuttgart und Autor des Buches „Sieben Energiewendemärchen?“ Kontakt: energiewendemaerchen@t-online.de