Energiewendemärchen der Woche 23-2022

Der böse Verbrennungsmotor

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Der böse Verbrennungsmotor

André D. Thess

09. Juni 2022

Die Behauptung: Am 8. Juni 2022 hat das EU Parlament ein Verbot für Verbrennungsmotoren ab 2035 beschlossen. Ein deutscher EU-Abgeordneter kommentiert den Schritt mit den Worten: „Damit haben wir uns für die Zukunft des Automobilstandorts Europa entschieden.“

Meine Analyse: Ein Verbot von Verbrennungsmotoren ist ein schwerwiegender Eingriff in die Volkswirtschaft, weil unser Wohlstand in hohem Maßevon preiswerter Mobilität sowie von Arbeitsplätzen in der Automobilindustrie abhängt. Das Verbot macht individuelle Mobilität für einkommensschwache Schichten faktisch unbezahlbar. Bevor eine Gesellschaft sich zu solch drastischen Maßnahmen entschließt, lohnt sich ein Rückblick auf Nebenwirkungen staatlicher Verbote.

Ein erhellendes historisches Beispiel für die Nebenwirkungen starker Eingriffe in die Volkswirtschaft zu einem vermeintlich guten Zweck ist die Kollektivierung der Landwirtschaft unter Josef Stalin. Sie ist umfassend dokumentiert und – dank des Sachbuches “Red Famine” von Anne Applebaum – für einen breiten Leserkreis zugänglich.
Die Ukraine galt Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts als Kornkammer Europas. Vor dem bolschewistischen Putsch im Jahr 1917, besser bekannt unter dem Euphemismus „Große Sozialistische Oktoberrevolution“, war die kleinteilige Landwirtschaft in der Lage, den ukrainischen Nahrungsmittelbedarf in bescheidenem Maße zu decken. Die Bauern erzeugten sogar ausreichend Weizen, um italienische Nudelfabrikanten mit Hartweizengrieß zu versorgen. Doch waren die Moskauer Funktionäre der Kommunistischen Partei der Sowjetunion der Meinung, durch eine erzwungene Vereinigung kleiner Landwirtschaften zu großen Einheiten – den Kolchosen – sowie durch Mechanisierung könne die Arbeitsproduktivität gesteigert und für alle Sowjetbürger Nahrung im Überfluss erzeugt werden. Überdies versprachen sich die Machthaber von der Verstaatlichung der landwirtschaftlichen Produktion die Beseitigung der mutmaßlichen Ausbeutung der Landbevölkerung durch die Großbauern – die Kulaken.

Die Geschichte der Ukraine nahm einen anderen Lauf als von den Zukunftskünstlern verheißen. Nach der Zwangskollektivierung brach die landwirtschaftliche Produktion zusammen, weil die unternehmerisch denkenden Kulaken enteignet worden waren und die Bauern in den Kolchosen keine Anreize für gute Arbeit fanden. Der menschengemachten sozialistischen Hungersnot – im ukrainischen Sprachgebrauch Holodomor genannt – fielen
mehrere Millionen Ukrainer zum Opfer. Meine russische Großmutter, die in dem ukrainischen Dorf Karan‘ südlich von Donezk aufgewachsen war, konnte als vierzehnjähriges Mädchen dem Hungertod nur knapp entrinnen. Ein sechshundert Kilometer langer Fußmarsch zu Verwandten nach Kertsch brachte sie mit ihren als Kulaken enteigneten Eltern und ihren vier Schwestern mit letzten Kräften in Sicherheit.


Mein Fazit: Mit dem Verbrennungsmotorenverbot verabschiedet sich die EU vom Prinzip der Marktwirtschaft und verstößt gegen die Interessen von über 400 Millionen Einwohnern. Es ist deshalb höchste Zeit, dem planwirtschaftlichen Treiben in Brüssel mit demokratischen Mitteln ein Ende zu setzen.

 

Der Autor: André D. Thess ist Professor für Energiespeicherung an der Universität Stuttgart und Autor des Buches „Sieben Energiewendemärchen?“ Kontakt: energiewendemaerchen@t-online.de

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