Energiewendemärchen der Woche 33-2021

Wahlversprechen 3/6: SPD

Sechs Wahlversprechen im Schnelltest:

Teil 3 – SPD

André D. Thess

19. August 2021

 

Vorbemerkung: Die Serie analysiert die Stimmigkeit ausgewählter Versprechen aus den Bundestagswahlprogrammen einzelner Parteien. Die Analysen beinhalten keinen Vergleich von Parteien untereinander. Sie stellen insbesondere keine Wahlempfehlungen dar.

 

Das Wahlversprechen: In ihrem Bundestagswahlprogramm schreibt die SPD: „Wir werden einen Mobilitätsplan 2030 auf den Weg bringen, der den öffentlichen Personennahverkehr und den Schienenverkehr auf ein neues Niveau bringt.“  Weiter heißt es: „Bahnfahren soll innereuropäisch günstiger und attraktiver als Fliegen sein.“

Meine Analyse: Wahlprogramme überzeugen durch konkrete und nachprüfbare Versprechen. So schrieb die SPD im Bundestagswahlprogramm vom 17. April 1998 auf Seite 14 kurz und bündig: „Die SPD will eine Anhebung des Kindergeldes um 30 Mark auf 250 Mark im Monat für das 1. und 2. Kind.“

Wie müsste angesichts dieses Beispiels ein glaubwürdiges Wahlversprechen fürs Bahnfahren in Europa aussehen? Laut www.bahn.de beträgt am 19. August 2021 die Fahrzeit für die schnellste Verbindung zwischen Berlin und Paris (880 km gemäß www.luftlinie.org) 8:17 Stunden. In China dauert die schnellste Fahrt auf der Strecke Dalian-Harbin (870 km Luftlinie) mit dem G49 nur 3:36 Stunden. Die Bauzeit für diese Hochgeschwindigkeitsstrecke betrug fünf Jahre. Ein konkretes Versprechen könnte darin bestehen, die Fahrzeit zwischen zwei europäischen Weltmetropolen von 230 Prozent auf 100 Prozent der Fahrzeit zwischen zwei chinesischen Provinzstädten mit vier beziehungsweise fünf Millionen Einwohnern abzusenken.

Wie könnte ein Wahlversprechen für innerdeutsches Bahnfahren lauten? Für die Verbindungen Stuttgart-Berlin (510 km) und München-Berlin (500 km) betragen die kürzesten Fahrzeiten laut aktuellem Fahrplan 5:32 beziehungsweise 4:07 Stunden. Zum Vergleich: Der chinesische G902 benötigt für die 510 km Luftlinie zwischen Harbin und Shenyang 2:03 Stunden. Eine Angleichung der Fahrzeiten im Hochtechnologieland Deutschland an das Schwellenland China würde nicht nur Wähler überzeugen. Sie würde vermutlich überdies – übrigens ohne lautstarke Appelle – einen  Teil innerdeutscher Flüge überflüssig machen.  

Mein Fazit: Konkrete Zahlen sind besser als blumige Willenserklärungen – es sei denn, deutsche Wähler haben kein Interesse an einer Überprüfung von Wahlversprechen am Ende einer Legislaturperiode.

Meine Empfehlung: Fragen Sie die SPD-Abgeordneten Ihres Wahlkreises: (1) Wann werden die deutschen ICE-Verbindungen so schnell sein wie die chinesischen? (2) Wann wird der deutsche ICE so pünktlich sein wie der japanische Shinkansen? (3) Wie wollen Sie mich in Vorbereitung auf meine Urlaubsreise nach Mallorca im Jahr 2030 davon überzeugen, dass Bahnfahren innereuropäisch attraktiver und günstiger sei als Fliegen?

 

Der Autor: André D. Thess ist Professor für Energiespeicherung an der Universität Stuttgart und Autor des Buches „Sieben Energiewendemärchen?“ Kontakt: energiewendemaerchen@t-online.de Die Texte dürfen mit Autorenangabe frei verbreitet und nachgedruckt werden.

 

Zum Seitenanfang