Energiewendemärchen der Woche 37-2021

Propaganda auf Wikipedia

Propaganda auf Wikipedia

André D. Thess

  1. September 2021

 

Die Behauptung: Die Online-Enzyklopädie Wikipedia schreibt auf ihren eigenen Seiten: „Wikipedia ist transparent und selbstkritisch; Kontroversen werden offen ausgetragen und sogar in Wikipedia selbst dokumentiert, falls sie einen bestimmten Grad an Bedeutsamkeit überschritten haben.“  [Hervorh. d. Verf.]

Meine Analyse: Wikipedia ist einerseits ein positives Beispiel für die Demokratisierung des Wissens und für zivilgesellschaftliches Engagement ehrenamtlicher Autoren. Andererseits sind zahlreiche Wikipedia-Einträge zu den Themen Energie und Klima vom Leitbild neutraler Darstellung sowie vom eingangs zitierten Selbstbild weit entfernt. Sie werden von anonymen Vollzeitschreibern wie „Andol“ geprägt und durch „Sichter“ vor Korrekturen abgeschirmt. Der Eintrag „Energiewende“ stellt ein besonders drastisches Beispiel für Propaganda auf Wikipedia dar.

Der fünfzigseitige Artikel zeigt, dass ein Dokument sachlich unzutreffend sein kann, obwohl es allem Anschein nach keine falschen Tatsachen enthält. Der Volksmund würde sagen: „Lügen durch weglassen.“ Der Text listet die Vorzüge der Energiewende in voller Breite korrekt auf, verschweigt hingegen Argumente von Kritikern. Die Subventionskosten erneuerbarer Energie werden nicht thematisiert. Das verfehlte deutsche Ziel einer Million Elektroautos für 2020 wird verschwiegen. Die Tatsache, dass der Weltklimarat IPCC die Kernenergie als Klimaschutzinstrument betrachtet, wird mit dröhnendem Schweigen bedacht. Da Andol die russische Sprache anscheinend nicht beherrscht, bleibt wenigstens die Artikelversion „Энергетический поворот“ von seinem schriftstellerischen Wirken verschont. So kann der interessierte Leser auf dem Umweg über die Sprache Alexander Puschkins erfahren, „dass die Mehrzahl der Experten die Unerreichbarkeit des Ziels [1 Mio. Elektroautos in Deutschland bis 2020, Anm. d. Verf.] zugibt.“ Während im deutschen Energiewendeeintrag eine Trennung von Fakten und Meinungen oft fehlt, kennzeichnet die russische Seite Meinungen als Meinungen: „Einige russische Experten erklären die ‚Energiewende‘ mit der Armut Deutschlands an kohlenwasserstoffhaltigen Rohstoffen sowie mit der Verfügbarkeit ‚überflüssiger‘ Mittel im Staatshaushalt zur Subvention von Unternehmen der erneuerbaren Energetik.“

Mein Fazit: Bei Artikeln zu kontroversen Themen wie „Klimaleugner“, „Energiewende“ und „Windenergie“ ist auf Wikipedia Vorsicht geboten. Ein zuverlässiges Indiz für trickreiche Propaganda auf Wikipedia ist nach meiner Erfahrung das Erscheinen des Namens „Andol“ in der Versionsgeschichte eines Artikels.

 

Der Autor: André D. Thess ist Professor für Energiespeicherung an der Universität Stuttgart und Autor des Buches „Sieben Energiewendemärchen?“ Kontakt: energiewendemaerchen@t-online.de

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